Dienstag, 10. Mai 2011

Alle Hesse sin Verbrecher

Die Frankfurter Eintracht steht vor dem Abstieg in die Zweite Liga. Der Traditionsclub gerät gerade in ein ähnliches Debakel hinein wie die Hertha vor genau einem Jahr. Die Mannschaft schwingt ein wenig lustlos die weiße Fahne und hofft, dass sie noch einmal davonkommt. Richtig fassen kann den Niedergang sowieso niemand. Vielleicht ist das überraschendste an der aktuellen Situation, dass alle so furchtbar überrascht sind.

Wer das Geschehen am Samstag auch nur in der Konferenz verfolgt hat, konnte erkennen, dass den Kölnern recht einfache Mittel genügten, um den Frankfurtern womöglich den letzten Stoß am Rande der Klippe zu geben. Nachdem eine Woche zuvor der FC den BVB vorzeitig zum Meister machte, hat der Geißbock nun also auch im Abstiegskampf - symbolisch gesprochen - sein Häuflein gemacht. Dabei konnte niemand ernsthaft annehmen, dass die Truppe vom Rhein in dieser Saison überhaupt irgendeine gewichtige Rolle spielen würde. Oft hatte ich das Gefühl, dass die Kölner nur deshalb Spieler kaufen, damit Lukas Podolski nicht so allein auf dem Platz steht. Aber das ist ein anderes Thema.

Frankfurt hatte jedenfalls keine Chance und spielte wie ein Absteiger. Seither werden die immer gleichen Statistiken bemüht, etwa, dass die Eintracht schon nach der Hinrunde 26 Punkte gesammelt hatte. All das soll den Absturz zu etwas Unglaublichem machen, an sich fnindet sich aber nicht so viel Unglaubliches daran. Heribert Bruchhagen ist in den vergangenen Jahren als das Gewissen der gesamten Liga aufgetreten. Nach Jahren des Chaos etablierte er bei der Eintracht die besinnliche Ruhe, die oft bei den grauen Mäusen der Liga herrscht.  Das Konzept, einen Verein in einem langsamen Prozess zu Erfolg und Reichtum zu führen, darf mit Blick auf Bruchhagens Wirken als offiziell gescheitert gelten. Die Anzeichen dafür sind nicht erst in den Tagen des Abstiegs sichtbar, sondern wurden von Mahnern wie Michael Skibbe durchaus schon früher offen gelegt. Das Ausschalten jeglichen finanziellen Risikos ist im heutigen Fußball-Geschäft nicht mehr mit Vernunft, sondern nur noch mit Kurzsichtigkeit zu erklären.

Das "Geschäft" läuft längst anders. Die Vereine bewegen sich meist finanziell am Limit und schielen wenn überhaupt auf die schwarze Null in den Bilanzen. In Frankfurt sahen Skibbe und sogar Friedhelm Funkel durchaus die Möglichkeiten, den Kader weiter zu verstärken, ohne dass der Club allzu große Wagnisse hätte eingehen müssen. Und so passiert dem Sparer Bruchhagen jetzt genau das, was er immer verhindern wollte, die Eintracht droht wieder in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. In Sportvereinen geht es eben hauptsächlich um sportlichen Erfolg. Manager und Vorsitzende dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass wirtschaftlicher Erfolg im Fußball ausschließlich dazu dienen sollte, den sportlichen Erfolg zu gewährleisten.

Frankfurt muss sich, ob nun mit oder ohne Bruchhagen, schnell umorientieren. Die Berliner Hertha, um den Vergleich noch einmal zu bemühen, hatte bereits in der Bundesliga längere Zeit die Möglichkeit, sich auf die zweite Liga einzustellen. Vom Fan über die Journalisten bis hin zu Spielern und Verantwortlichen, konnte sich jeder über Monate hinweg mit dem wahrscheinlichen Abstieg abfinden und mit neuem Mut in die folgende Saison starten. Die Führungsriege stand, schnell war ein relativ namhafter Trainer gefunden und auch vom im Unterhaus zur Verfügung stehenden Kader hatte Berlin schon im Moment des Abstiegs eine Idee. Der Wiederaufstieg klappte prompt, die Fans haben den Abstecher in die Unterklassigkeit als amüsanten Abenteuertrip angenommen. In Frankfurt ist die Situation anders. Hier wird es ein Erdbeben in der Führungsetage geben. Ausgerechnet der harmoniebedürftige Armin Veh ist jetzt im Gespräch und natürlich - wie immer - Dietmar Beiersdorfer. Der Trainer wird gehen, die Fans kochen vor Wut und jeder ist plötzlich ganz überrascht, wie tief dieser solide Verein doch sinken konnte (wer einmal die Zerstörungskraft Frankfurter Fans bei einem Auswärtsspiel der Eintracht erlebt hat, den wundern die Ausschreitungen vom Samstag übrigens keineswegs).

Wenn kein Wunder geschieht, dann muss der Verein im Sommer schnelle Entscheidungen treffen. Ein Fehlstart kann den Wiederaufstieg kosten, und fragt mal in Bielefeld nach, was passieren kann, wenn ein Verein mit dem Hang zu chaotischen Verhältnissen längere Zeit in der zweiten Liga festsitzt.

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