Freitag, 3. Februar 2012

Ballacks Sieg

Der Meinungen zum Krach um Michael Ballack bei Bayer Leverkusen gibt es viele. Der folgende Beitrag ist daher eigentlich eher eine Art Stimmabgabe. Am Wahltag erfinden wir das Kreuz auf dem Stimmzettel ja auch nicht neu, dennoch machen wir es und die Vorgänge in Leverkusen fordern ein Kreuz förmlich heraus.


Wer sind die Parteien? Da stehen auf der einen Seite Michael Ballack und sein Berater, jenseits des Schützengrabens haben sich Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler positioniert. Seit die Fronten derart klar sind, versuchen alle, die im deutschen Fußball eine Meinung haben, Partei zu ergreifen: Entweder für die genervten Bosse oder den nörgelnden Weltstar.

Zu Beginn lief alles für die Bosse. Holzhäuser schaffte es, den „Jetzt reicht's“-Charakter seiner Rede glaubhaft zu machen. Ballack, seit dem Streit mit Bundestrainer Joachim Löw ohnehin als Querkopf verschrien, stand in seiner Ecke. Dann meldete sich zunächst Berater Becker zu Wort, gewohnt markig warf er Holzhäuser und Völler vor, vom Trainerproblem ablenken zu wollen. Eins vorweg: Wenn das ihr Ziel war, dann Hut ab, über Dutt spricht im Augenblick niemand.

Auch Mehmet Scholl nicht. Grund dafür ist jedoch nicht, dass er den Trainer vergessen hat. Er spreche überhaupt nicht über ihn, er kenne ihn nicht, sagte er der Bild. Auch Carsten Ramelow trat an die Seite seines alten Weggefährten Ballack. Plötzlich gab es eine Opposition zur Holzhäuser-Meinung und seitdem lassen die Bosse Federn. Natürlich sei das Verhältnis der Spieler zum Trainer nicht freundschaftlich, das würde er von einem Trainer auch gar nicht erwarten, sagte Holzhäuser zum Beispiel in der Diskussionsrunde Sky90.

Der Versuch, das unsägliche Gerede vom „Projekt Ballack“ zu erklären, geriet zur Farce, weil Holzhäuser einerseits betonte, dass Ballack ja auch gute Spiele absolviert habe, dann aber kein gutes Haar an der Außendarstellung des „Capitano“ ließ. Von Matthias Sammer musste er sich dann bescheinigen lassen, dass es jetzt ohnehin nur noch ums Geschäft ginge.

Zunächst einmal ist es eine weitere Perversion des Geschäfts, bei Fußballern von Projekten zu sprechen. Dann ist es natürlich dem Wert eines Michael Ballack für den Fußball nicht angemessen, ihn als Arbeitgeber derart im Regen stehen zu lassen. Dieses bürokratisch im schlimmsten Sinn anmutende Zerteilen von einzelnen Aspekten des komplexen Verhältnisses zwischen Verein, Spieler und Fans wirkt provinziell, unprofessionell und vermittelt den Eindruck, dass niemand bei Bayer fähig ist, einen besonderen Angestellten mit besonderen Forderungen, aber auch besonderen Qualitäten zu führen.

Simon Rolfes gibt sich als das Gegenteil von Ballack, deshalb gibt es um ihn kein Theater. Doch auch er hockt auf der Bank. Eine derartige Ausbootung beider Kapitäne durch einen Trainer, der öffentlich und scheinbar auch intern um Profil ringt, ist ein Skandal, den die Vereinsführung eigentlich zu unterbinden hätte. Bayer wird durch Inkonstanz in den Leistungen die Quittung dafür bekommen, dass Robin Dutt auf der Suche nach einer Linie alle ausschaltet, die in der Hierarchie des Vereins nah an ihn heranreichen. Die jungen Leute, die er nachzieht, sind ihm treu ergeben, weil sie ihm den Stammplatz verdanken. Das Muster ist also weiß Gott keine Leverkusener Erfindung. 

Wenn die Bosse also tatsächlich nur vom Trainerproblem ablenken wollten, haben sie die Schlacht gewonnen. Jetzt müssen sie aber erkennen, dass der geringe Geländegewinn sie in eine aussichtslose Lage gebracht hat. Bringt Dutt Ballack wieder, wäre es ja fast peinlich, wenn das gescheiterte Projekt treffen würde. Lässt er ihn schmoren, ist Dutt der Sturkopf und muss sich nach jedem Punktverlust anhören, ob Ballack nicht den Sieg gebracht hätte. Zudem würden findige Journalisten vermuten, dass Holzhäuser Dutt die Aufstellung diktiert.

Wenn Dutt schlau wäre, würde er sich jetzt auf die Seite von Ballack stellen und gegen seine Vorgesetzten aufmucken. Das wäre mal ein Profilgewinn und der Beweis, dass es ihm tatsächlich nur um die Leistung auf dem Platz geht. So schlau ist Dutt aber nicht. Rudi Völler hat heute die Strategie des Zurückruderns eingeleitet. Wie nur er es in einem Nebensatz fallen lassen kann, hat er eingeräumt, dass die Äußerungen von Holzhäuser ungeschickt waren und zum falschen Zeitpunkt kamen. Dann fuhr er eine wilde Attacke gegen Ballacks Berater und drohte ihm mit Hausverbot. Glaubwürdig war das nicht und Ballack steht schweigend wie der Sieger da. Das Gefühl wird sich mit jedem Versuch des Vereins, Schuldige zu suchen, verstärken.

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