Donnerstag, 1. August 2013

Wolfsburg und die Sehnsucht, geliebt zu werden

Es ist so eine Sache mit der Sympathie, der Fußballfan vergibt sie sehr launisch. Da liefert die Marktforschung ein ziemlich genaues Bild von dem, was ein Anhänger sich von seinem Klub wünscht. Zeitgemäße Marketing-Agenturen werden dann beauftragt, eine Kampagne ins Leben zu rufen und das Ergebnis ist leider oft das gleiche: Über den eigenen, ohnehin bestehenden Fan-Kreis hinaus ist das Interesse kaum gestiegen. Nun hat Klaus Allofs etwas getan, das durchaus halsbrecherisch ist: Er hat eingestanden, dass der VfL Wolfsburg unsympathisch wirkt, um seine Mission populär zu machen.
Denn er möchte am Mittellandkanal etwas schaffen, das er in Bremen als Glaubensbekenntnis gelernt hat. Die Sympathie hilft einem Verein, mittelmäßige sportliche Erfolge bundesweit nicht so schlimm erscheinen zu lassen. Der beißende Spott, die Häme bleibt aus. Es wäre ein einfaches Rezept für all die Vereine, die ihre Ziele nicht erreichen, einfach sympathisch zu sein, wenn es nicht so schwer wäre, sich diese Sympathien zu sichern.

Allofs und sein Coach Dieter Hecking versuchen es jetzt mit der offensivsten Taktik, die vorstellbar ist. Sie sagen einfach, dass der VfL sympathischer werden soll. Das klingt plump, könnte aber genau der richtige Weg sein. Jedenfalls ist das Risiko so hoch, dass es nach komplettem Gelingen oder totalem Scheitern riecht. Die Frage ist, ob die Charmeoffensive Herzen gewinnt oder die Protagonisten sich bei dem Versuch lächerlich machen, einem Retortenklub Leben einzuhauchen.

Vor allem drei Maßnahmen haben sich die Wölfe auf die Fahnen geschrieben. Mehr Volksnähe, attraktiveres Fußballspiel und die dauerhafte Einbindung von Identifikationsfiguren in der Mannschaft. Das mit der Volksnähe ist schon mal im positiven Sinne abgehakt. Die Bilder der Profis inmitten ihrer Fans bei Autogrammstunden gingen um die Welt, wenn es auch nur die Welt von Sky Sport News HD ist. Selbst Diego ließ sich blicken. Doch sich dem schon bestehenden Fanstamm an den Hals zu werfen, sorgt noch nicht für eine Veränderung der überregionalen Wahrnehmung.

Dazu taugt schon eher das attraktive Fußballspiel. Jeder sieht gern schöne Kombinationen und kreatives Offensivspiel. Sogar Hoffenheim generierte Sympathisanten in der gesamten Republik, als Carlos Eduardo, Demba Ba und Vedad Ibisevic mit mutigem Angriffsfußball die Liga aufmischten. Die Darbietungen des Rangnick-Ensembles sahen so vielversprechend aus, dass Jogi Löw sich genötigt fühlte, jemanden wie Tobias Weis in die Nationalmannschaft zu berufen. Attraktives Spiel kann eine ungeliebte Mannschaft also in kürzester Zeit zum heißen Tipp machen. Das Problem ist nur, dass es gar nicht so einfach ist, schönen Fußball zu spielen. Sonst würde das ja jeder machen. Die Lage wird zusätzlich erschwert durch die Tatsache, dass Hecking bislang nicht durch unvernünftiges Risiko in der Offensive aufgefallen ist. Kann er im wahrsten Wortsinne schnell umschalten?

Bleibt das Personal als Stellschraube. Der etwas bärbeißige aber gemütliche Hecking und der kumpelige Allofs sind eine schöne Abkehr vom Magathschen Turbokapitalismus. Aus Bremen weiß der Manager, dass die Mannschaft vor allem dann geliebt wird, wenn die einzelnen Spieler geliebt werden. Lange an den Verein gebundene Angestellte, ergänzt durch einige Stars, das war stets das Erfolgsrezept an der Weser. Gleiches soll nun in der Autostadt gelingen. Der Stamm der Mannschaft steht, Talente stehen bereit und wenn Diego weiter Spaß am niedersächsischen Landleben hat, fehlt es auch nicht an der Finesse. Auf der verzweifelten Suche nach einem neuen Roy Präger darf Allofs aber bodenständige nicht mit biederen Spielern verwechseln, denn das widerspräche eindeutig der Maxime des schönen Spiels.

Was in der Liste fehlt, ist Erfolg als Motor. Den hat man scheinbar schon abgeschrieben, jedenfalls gibt es keine hochtrabenden Ziele. Bescheidenheit ist das Zauberwort. Wenn die Punkte schon nicht planbar sind, dann wenigstens aus der Not eine Tugend machen!

Das Programm klingt ganz gut, wäre da nicht die eingangs erwähnte Eigenart der Fans, ihre Zuneigung vermeintlich sehr irrational zu verteilen. Der reißende Strom, gegen den Wolfsburg anschwimmt, ist sein Ruf als Rastplatz für Möchtegernsuperstars auf dem Weg zu höheren Ehren oder in den Ruhestand. Kaum ein Spieler konnte sich des Eindrucks erwehren, wegen des Geldes in Wolfsburg zu sein und die Kaufwut Magaths tat ihr übriges. Daher ist es vor allem eins, das Allofs braucht, um Gras über die 40-Spieler-Kader-Jahre wachsen zu lassen: Zeit. Er braucht Jahre der Kontinuität, in denen Eigengewächse sich entwickeln und arrivierte Spieler ihre Treue beweisen können. Und selbst wenn das alles klappt, wird das Umfeld in Wolfsburg es nie hergeben, ähnliche Fangemeinden wie die aus Stuttgart, Hamburg oder Bremen hervorzubringen. Bleibt noch der Geheimtrick: Die Bayern schlagen, dann fliegen jedem, aber auch wirklich jedem die Herzen zu.
 

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