Montag, 5. August 2013

Bundesliga: Sorgenfalten bei Pokalversagern

Mathematisch wäre es möglich, aber es scheint andere „Gesetze“ zu geben, die verhindern, dass alle Bundesligisten die erste Runde im Pokal passieren. Manche nennen es das Salz in der Suppe, die eigenen Gesetze des Pokals, von großen Momenten und Sternstunden ist zu lesen. Das ist freilich alles aus der Perspektive des neutralen Betrachters geschrieben, der den Kleinen einen einmaligen Erfolg gönnt. Nach dem langen Pokalwochenende ist aber weniger interessant, warum einige Erstligisten sich so schwer taten, die Folgen sind viel spannender.
Christian Streich gab sich trotz Würgesieg extrem zerknirscht im Interview beim TV-Sender Sky. Michael Wiesinger war nach Aufbereitung („Ich kann doch jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen.“), Raphael Schäfer sieht gar den Klassenerhalt gefährdet („Ich habe immer gesagt, dass es für uns sehr schwer wird, 40 Punkte zu holen“ beide Kicker Online). Und das alles nach dem ersten Pflichtspiel! 

Noch weltunterganglicher ist die Stimmung in Bremen. „In meinem ersten Spiel gleich eine Niederlage zu kassieren, ist sicher nicht schön, sondern sehr enttäuschend. Dadurch wird die Arbeit natürlich erschwert – und die ganze Aufbruchstimmung ist gedämpft. Wir müssen uns zu Recht viele Vorwürfe gefallen lassen,“ gab sich Robin Dutt bei der Syker Kreiszeitung ganz offen resigniert. In Mönchengladbach sorgte vor allem die Art und Weise des Ausscheidens für entsetzen. Die Offensive fand kein Mittel gegen den Drittligisten aus Darmstadt. Die aufkommenden Zweifel sind hier wie da umfassend.

Die Bundesligisten, die ausgeschieden sind, und jene, die der Blamage nah waren, gehen mit sich sehr ernsthaft ins Gericht. Das ist Folge eines neuen Anspruchsdenkens der ersten Liga. Es gibt eine Fülle von Mannschaften, die sich zu Höherem berufen fühlen, und kaum noch Teams, die sich wachen Auges dem Abstiegskampf widmen. Das ist eine neue Etappe einer Entwicklung, die nun schon seit ein paar Jahren dauert, und Schuld an dieser Entwicklung haben vor allem Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Robin Dutt.

Diese drei Trainer haben auf unterschiedlichen Ebenen gezeigt, dass nicht nur großes Geld, sondern auch ein geordnetes System und eine klug zusammengestellte Mannschaft beachtlichen Erfolg bringen können. Es gab auch andere Beispiele, aber nehmen wir exemplarisch die Mainzer Boygroup, den Freiburger Aufstieg unter Dutt und eben die frühen Erfolge von Klopp in Dortmund. Diese messbaren Ergebnisse eines neuen Stils der Vereins- und Mannschaftsführung ließen andere Klubs mutiger und offener für neue Ideen werden. Auch eine Renaissance der Kontinuität und das Einmotten des Stilmittels des beherzten Trainerrauswurfs nach wenigen Spieltagen haben vielen Vereinen Stabilität gebracht.

Ein Blick auf die Statistik belegt das und erklärt, warum es scheinbar nur noch wenige echte Abstiegskandidaten gibt. Von den aktuellen 18 Bundesligisten sind nur zwölf überhaupt schon einmal abgestiegen, sechs davon nicht mehr in den letzten 20 Jahren. In den vergangenen fünf Jahren haben nur sieben jetzige Erstligaklubs in der 2. Bundesliga gespielt, in den vergangenen vier Jahren sogar nur vier – und da sind die aktuellen Aufsteiger schon dabei.

Eine frühere Fahrstuhlmannschaft wie der 1. FC Nürnberg  hatte seinen letzten Abstieg im Jahr 2008, relativ frische Erfahrungen mit einem Liga-Downgrade haben eigentlich nur Eintracht Frankfurt (2011) und Hertha BSC (2012). Doch beiden Teams ist durchaus mehr als eine Zittersaison zuzutrauen, so dass die einzigen klaren Wackelkandidaten Braunschweig und Augsburg sind. Viele Vereine hatten also über einige Jahre hinweg die Möglichkeit, etwas aufzubauen. Und daran würden sie gemessen, wenn sie nun in den Keller der Tabelle rutschen.

Die deprimierten Kommentare nach den Pokalblamagen sind also nicht nur aus der Enttäuschung nach einem peinlich verlorenen Spiel geboren sondern auch Ausdruck einer besonderen Drucksituation. Niemand in Nürnberg, Bremen oder Mönchengladbach möchte durch einen Fehlstart den sicher geglaubten Platz im Mittelfeld aufgeben. Denn das würde gleichsam bedeuten, dass man sich ernsthafte Sorgen um den Liga-Verbleib machen muss, siehe Werder im vergangenen Jahr.

Und für diesen Leidensweg gibt es in der Saison 2013/14 einige Kandidaten. Freiburg muss mit der Dreifachbelastung zurechtkommen und hat gefühlt zwei Drittel seines Kaders verloren. Der SV Werder hat eine komplett neue sportliche Führung und in der gesamten Vorbereitung viele Rätsel aufgegeben. Nürnberg hat erneut wichtige Spieler verloren, mancher munkelt, dass die Abgänge in diesem Jahr vielleicht erstmals nicht kompensiert werden können. Und was ist mit Mainz, das Szalai verloren hat und sich nun mit Dani Schahin begnügen muss? Hoffenheim muss auch erst beweisen, dass der Neuaufbau auch Punkte bringt. Hannover verliert vielleicht noch Diouf... die Liste ist lang.

Ein geringer Punkteabstand zwischen Europa League und zweiter League ist über lange Strecken der Saison denkbar und da könnte es bei unglücklichem Verlauf noch manch anderen treffen, denken wir an Hamburg, Stuttgart und wie immer Wolfsburg. Eine verpatzte Generalprobe im Pokal sorgt bei dieser Gemengelage also folgerichtig für tiefe Sorgenfalten, denn wo man sich zum Start einordnet, kann die Richtung für die gesamte Hinrunde vorgeben. Und wer will schon bis Weihnachten gefragt werden, ob das Pokalaus in XY nicht schon richtungweisend für eine enttäuschende Saison gewesen sei...

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